Das Jahr ’89 beginnt für den Chef unserer DDR mit einer Überraschung. Hans-Dietrich Genscher, der Außenminister der Bundesrepublik, nicht die Bundesministerin für die innerdeutschen Beziehungen Wilms, warnt den Vorsitzenden des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates unserer Deutschen Demokratischen Republik, den langjährigen Alleinherrscher Erich Honecker im Januar ’89 über den Anwalt Dr. Wolfgang Vogel und den Schriftsteller Stefan Heym vor Instabilität und Aufruhr in der DDR, falls das Regime weiter Reformen verweigere. Wer fragt jetzt noch, ob Genscher in dieser trauten Runde womöglich etwas von Einheit oder so gesagt hat? Selbstverständlich nicht. Der Genosse Honecker, der in seiner eigenen Realität lebt, ignoriert natürlich das freundliche Wort des Außenamtschefs. Der kann sich mal um die Arbeitslosigkeit bei sich und um die Obdachlosigkeit kümmern. So bringt die Sturheit Honeckers das Führungskollektiv in Bonn, bestehend aus mehreren Parteien in der Regierung und in der Opposition, zur Verzweiflung. Letztlich können sie es ihm aber, genau wie der Genosse Michail Sergejewitsch Gorbatschow im bankrotten Moskau, auch nur sagen. Der hat ja wenigstens Reformen in seinem Reich auf den Weg gebracht. Unser Erich hat stattdessen stets noch einen flotten Spruch auf den Lippen und schmettert jeden Tipp ab. Vom ersten Tag an wurde in Bonn bei Köln politisch ein doppeltes Spiel getrieben, verkauft von einer breit aufgestellten Medienlandschaft. Der alte Brandt hat das noch gut im Ohr, wie sie früher auf die Anziehungskraft der im Entstehen begriffenen Bundesrepublik hingewiesen hatten und angeblich gehofft, dass sie dereinst mit den lieben Schwestern und Brüdern wiedervereint werden würden. Damals war nie die Rede davon, dass man die Zone stabil halten müsste, wenn sich endlich eine Chance eröffnete, zusammenzufügen, was zusammen gehört. Doch Brandt hatte das ja seinerzeit schon eingeschränkt: „Man baute, soweit das Interesse nicht ohnehin auf ganz anderes als die deutsche Einheit gerichtet war, auf die Anziehungskraft der im Entstehen begriffenen Bundesrepublik.“ Worauf Adenauers Interesse gerichtet war, konnte er damals in Büchern nachlesen, nachdem der Kanzler der aktuellen Politik durch seinen Tod nicht mehr wirklich unmittelbar zur Verfügung stand.2 Brandt fiel es ja auch nicht hinreichend auf, dass der Druck gegen ihn aus allen Parteien des Bundestages kam, ob sie nun der Opposition oder der Regierung angehört haben mögen oder nicht. Alle gegen einen, einer gegen alle.