Die Elite der USA fühlt sich durch Japans Expansionspolitik zunehmend in ihren wirtschaftlichen Interessen bedroht. Wozu hatten sie denn 1898 Südostasien für ihre Wirtschaft erschlossen? Das trifft insbesondere auf die Philippinen zu, die das freieste Land der Welt seit vierzig Jahren für eine seiner eigenen Kolonien hält. Trotzdem belieferte man Japan weiter mit Treibstoff für seine Feldzüge in China; eigene Energiequellen besitzt Japan bekanntlich nicht. Das freiheitsliebende Amerika hat es übrigens auch auf europäische Besitzungen in Südostasien abgesehen; das jedoch bloß, um die Verlogenheit der amerikanischen Propaganda bei der Ausdehnung des Lebensraumes für die reiche Elite in Erinnerung zu rufen. Japans Führung leidet ihrerseits wiederum ebenfalls unter Großmachtphantasien wie andere halbstarke Staaten in der Welt auch und sieht die Lösung seiner Probleme in einem überraschenden Überfall auf die USA. Dass man mit den vorgelagerten Hawaii-Inselchen aber höchstens eine Zehe eines Riesen anpiekst, ist der Führung im schönen Japan offenbar nicht klar. Wir alle wissen aus eigener und leidvoller Erfahrung, dass es derartige Fehlzündungen bei Männern woanders auch gibt.

Spätestens seit dem 27. Januar 1941 hätte die Regierung in Washington gewarnt sein müssen, als ihr Botschafter in Tokio Joseph Grew berichtet hat, dass das Land der aufgehenden Sonne einen Überraschungsangriff auf Pearl Harbor mit aller Kraft und allen zu Gebote stehenden Mitteln durchzuführen beabsichtigt. Im März hatte der deutsche Geheimdienst über Johann Jebsen und den Jugoslawen Dušan Duško Popov Amerika wissen lassen, dass die japanische Kriegsmarine versucht, Einzelheiten über den Torpedoangriff der Royal Navy auf italienische Schiffe ’40 im süditalienischen Taranto in Erfahrung zu bringen, weil die Japaner eine ähnliche Aktion vorhaben. Die Deutschen stellten den Zusammenhang zwischen den vorhandenen Ölreserven der Japaner und dem Zeitpunkt Anfang Dezember ’41 fest. Diese Information ging bis hoch zu FBI-Chef John Edgar Hoover und jener ließ sie bis hinunter in den Müllschlucker purzeln. Inzwischen ist gut und gerne noch mal ein halbes Jahr ins Land gegangen. Es folgten Auswertungen von Manövern durch Kommandeure der Luftwaffe aus Fernost. Frederik Martin und Patrick Bellinger sagten, dass Pearl Harbor, was so viel heißt wie Perlenhafen, einem japanischen Flugzeugträgerangriff weitgehend schutzlos ausgeliefert wäre. Überdies sind Meldungen eines japanischen Spions abgefangen worden, der seit März 1941 direkt von Hawaii aus detailliert über die Lage der auf dieser Inselgruppe stationierten Luft- und Marineeinheiten berichtet. Erst als sich Japan das französische Indochina einverleibt hatte, war im Juli des Jahres 1941 Schluss mit den amerikanischen Lieferungen zur Auffüllung der Treibstoffreserven der Japaner. Dann war ein Handelsembargo gegen Japan inkraftgetreten. Dessen Ölvorräte reichten da gerade noch für ein Jahr. Der Hieb gegen Pearl Harbor sollte über die Bühne gehen, solange es genug Sprit gab. Das erzeugte einen gewissen Druck. Dann, am 20. August 1941 bestätigte William Farthing, der Fliegertruppenchef auf Hawaii, was für verheerende Folgen eine feindliche Attacke gegen Pearl Harbor hätte, wenn Washington nicht für genügend Schutz durch Langstreckenbomber sorge. Er plädierte für ein System fester Verteidigungsstellungen unmittelbar an der Küste sowie einen regelmäßigen Luftaufklärungsdienst und ausgedehnte Kontrollfahrten von Zerstörergruppen im nördlichen Pazifik. Aber die warnenden Denkschriften verschwanden wie in Berlin in der Versenkung. Umgekehrt zog die Marineführung der USA auf Befehl von Roosevelt vier von sieben Flugzeugträgern aus Pearl Harbor in den Atlantik ab. Wir alle wissen, dass die Kriegsspielzeuge im Atlantischen Ozean nichts zu suchen haben, weil die USA de jure weiter neutral sind und Deutsche und Italiener sich alle Mühe geben, da keinen zusätzlichen Ärger vom Zaun zu brechen. Zum Schutz des Hafens Pearl Harbor jedoch würden sie dringend gebraucht. Aber damit nicht genug. Die Geheimdienste der US-Army and -Navy können wesentliche militärische sowie zivile Codes der Japaner entschlüsseln. Der komplizierteste von ihnen, Deckname Purple oder auf Deutsch Purpur, kann schon seit dem 15. September 1940 mit einer geringen zeitlichen Verzögerung gelesen werden. Geschwindigkeit ist auch in diesem Fall keine Hexerei. Die Hinweise auf eine japanische Aktion gegen Pearl Harbor verdichten sich im Herbst ’41 weiter. Am 24. und am 27. November erlässt der Chief of Naval Operations, der Admiral Harold Stark, Kriegswarnungen für die Kommandeure im Pazifik. Darin heißt es, dass aggressive Handlungen, gewissermaßen unamerikanisches Verhalten seitens Japans in nächster Zukunft zu erwarten sei. Als mögliche Ziele eines japanischen Angriffes wird Guam benannt, das 2612 Kilometer von Japan entfernt ist, ebenso die Philippinen in einer Entfernung von 3070 Kilometern, das hübsche Thailand in einer Entfernung von 4312 Kilometern, die Insel Borneo, die man 4614 Kilometer weit weg findet, und Malaysia, das man 5134 Kilometer entfernt erreicht. Überraschenderweise wird eine Inselgruppe im Pazifik nicht genannt – aber Hawaii ist sicher mit einer Entfernung von 6611 Kilometern nicht mehr wirklich in Sichtweite, oder so ähnlich. Die restlichen 1477 Kilometer machen das Kraut wohl nicht mehr fett. Man könnte doch auf Nummer sicher gehen und die Kriegswarnung wenigstens spaßeshalber auf jenes Inselparadies Hawaii ausdehnen, oder? Alle Kommandeure im Pazifik werden angewiesen, die entsprechenden Maßnahmen zur Vorbereitung der Truppen für den Kriegsfall zu treffen, aber selbst keine offensiven Aktionen durchzuführen, solange Japan keinerlei bösartige Handlungen unternimmt. Die Allgemeine Kriegswarnung gilt also für alle denkbaren Inseln im Pazifik, für Borneo, Guam, Samoa und sogar für die Philippinen. Nur die Inselgruppe Hawaii kommt in der Allgemeinen Warnung nicht vor – und Husband Kimmel, der Kommandierende Admiral in Pearl Harbor, belässt es daraufhin bei der niedrigsten Alarmstufe. Der Flugzeugträger Saratoga wird zur Werftüberholung an der nordamerikanischen Westküste abgezogen. Am 28. November muss Kimmel auch die Enterprise zum Wake-Atoll schicken und die schnittige Lexington nach Midway abgeben.179

Nach knapp einem Jahr entsteht allmählich ein gewisser Erklärungsbedarf, zumal die amerikanische Funkaufklärung im Laufe des Novembers Auffälligkeiten vermerkt, die auf die Vorbereitung einer großen militärischen Operation hinweisen. Obendrein stellt sie noch fest, dass Japans Flotte am 1. Dezember außerplanmäßig ihre Rufzeichen auswechselt. In den letzten Tagen waren zwei Schlachtschiffe, drei Kreuzer, elf Zerstörer und sechs voll bestückte Flugzeugträger bis Iturup am nördlichen Ende der japanischen Kurilen verlegt worden – und am 1. Dezember setzt sich dieser Tross in Richtung Hawaii in Bewegung. Aus 6611 Kilometern sind durch jene Verlegung im Handumdrehen 5100 Kilometer geworden. Das ist jetzt auch nicht mehr weiter entfernt als Malaysia, aber dort war jene Allgemeine Kriegswarnung durchgegeben worden. So ist das eben. Weiß Admiral Harold R. Stark nicht, dass die Kurilen zu Japan gehören? Auf diesem Weg wird der Verband am 4. Dezember dann zufällig von einem holländischen Zerstörer geortet. Von jenem erfährt Australiens Geheimdienst, dass eine große Flotte mit Höchstgeschwindigkeit nach Süden im Anmarsch sei. 24 Stunden danach ist klar, dass die Schiffe Pearl Harbor im Visier haben. Australiens Botschafter in Washington Robert Casey ist am 6. Dezember gegen 16 Uhr bei Präsident Roosevelt und warnt diesen vor der drohenden Gefahr. Und was soll ich sagen? Der Präsident unternimmt nichts. Wenige Stunden später entschlüsselt der Marinegeheimdienst ein Dokument, nach dem am nächsten Morgen ein Angriff bevorsteht. Überraschend. Durch die Japaner. Lester Schulz, Roosevelts stellvertretender Marineadjutant, liefert dieses Schreiben kurz nach 21 Uhr im Weißen Haus persönlich ab. Da besteht noch die Gelegenheit, geeignete Maßnahmen zur Verteidigung einzuleiten. Roosevelts Reaktion auf das Dokument besteht aus der offensiven Ansage: „Das bedeutet Krieg.“ Für die jungen Männer, die sich zur Verteidigung ihrer Heimat über das Meer bis in den Pazifik verschaukeln ließen, bedeutet das den baldigen Tod, denn Schiffe und Flugzeuge stehen dort wie auf einem Präsentierteller. Sie sind weder getarnt noch startbereit. Die Schiffe sind nicht einmal durch Torpedonetze geschützt – obwohl die Dechiffrier-Spezialisten mehrfach vor einem japanischen Erstschlag gewarnt hatten.180

Was haben die Japaner vor? Sie wollen Erdölquellen in Fernost für sich erschließen und verhindern, dass amerikanische Truppen die Lieferung des schwarzen Goldes nach Japan unterbrechen können. Die Alternative kann bloß sein, dass die USA das Embargo aufheben. Fakt ist, dass Verhandlungen in dieser Frage zwischen Tokio und Washington im Gange sind. Sie haben aber bis dato nicht zum Einlenken der USA geführt. Dort ist hingegen inzwischen im Weißen Haus bekannt, dass am 7. Dezember eine diplomatische Note aus Japan eingehen soll, mit der die bilateralen Verhandlungen in Washington beendet werden sollen, und Roosevelt ist sehr geneigt, sich nicht mehr aus dem Krieg herauszuhalten. Dabei geht es Amerika eigentlich im aktuellen Stadium auf dem Weg zur Weltherrschaft um den Konkurrenten Deutschland. Aber warum sollte man eine Kriegserklärung nicht auf dem Weg über Japan bekommen? Der Weltöffentlichkeit liefert Mister President nach der Meldung von Australiens Botschafter die Showeinlage einer ganz persönlichen Friedensbotschaft an Kaiser Hirohito: Dessen diplomatische Note sei „gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung“, wie er dem Tennō auseinandersetzt.

Am Morgen des 7. Dezember, ein paar Stunden vor dem Angriff, erfährt Flottenchef Stark in Washington von diesem Geheimdienstdossier, das Roosevelt bereits kennt und sagt auch: „Das bedeutet Krieg.“ Er kommt aber ebenso wenig in die Gänge wie George Marshall, der Kommandeur der US-Landstreitkräfte. Dieser will heute reiten und wenn er fertig ist, hat er sich eine ordentliche Dusche verdient. Um 10:20 Uhr ist er dann in seinem Büro. Zu der Zeit machen die Japaner ihre Flugzeuge auf den Trägerschiffen startklar. Stark und Marshall beschließen, eine Warnung nach Pearl Harbor abzuschicken, nicht per Telefon, stattdessen in einem Telegramm mit der niedrigsten Dringlichkeitsstufe. Das überzeugt.

Während es an der Ostküste der USA beinahe Mittag ist, graut in Hawaii erst der Morgen. 370 Kilometer nordöstlich von Pearl Harbor dreht der Tross der japanischen Flotte in den Wind. Allmählich fängt der Sonntag für die amerikanischen Soldaten auf Hawaii an und sie sitzen am Frühstückstisch. Der Himmel über dem Pazifik ist blau, als kurz vor acht Uhr japanische Kampfbomber auftauchen und sich ihrer Insel O’ahu nähern. 360 Flugzeuge greifen den Hauptstützpunkt der US-Pazifikflotte in zwei Wellen an. Die Detonationen der Torpedos in den Schiffen sind für 2403 Amerikaner das Letzte, was sie in ihrem Leben hören. Die meisten Opfer sind Marinesoldaten. Binnen knapp zwei Stunden werden fünf Schlachtschiffe versenkt, drei weitere schwer beschädigt und elf sonstige Kriegsschiffe zusammengeschossen. 188 US-Flugzeuge werden am Boden vernichtet. Die Verluste der Japaner halten sich in Grenzen; nur 29 werden vom Himmel geholt und versinken im Meer oder zerschellen am Boden. Die amerikanischen Radiosender unterbrechen die Programme. Terroranschlag und möglichst rund um die Uhr. Ach so, und Admiral Kimmel bekommt jenes Telegramm aus Washington mit der Warnung vor einem möglichen japanischen Angriff. Rechtzeitig ist anders.

Wann haben Sie das letzte Mal schallend gelacht? Mehr als alle anderen Amerikaner ist Franklin D. Roosevelt überrascht. Endlich gibt es wieder einen Terroranschlag wie 1898 und 1915. Warum schicken die Eltern in Amerika ihre schmucken Söhne auch nicht freiwillig in die Kriege, derer es bedarf, um den Großverdienern die Weltherrschaft zu beschaffen? Im Radio wendet sich der US-Präsident an das Volk: „Yesterday, December 7, 1941, a date which will live in infamy, the United States of America was suddenly and deliberately attacked by naval and air forces of the Empire of Japan.” So ähnlich wird es wohl ungefähr gewesen sein: plötzlich und vorsätzlich sowie böse, hinterhältig und gemein. Vom Kongress erhält er die Erlaubnis, Japan den Krieg zu erklären. Das ist jetzt aber bitte keine wirkliche Überraschung mehr. Doch irgendwer muss für das vermeintliche Debakel verantwortlich sein, also werden Admiral Kimmel und der Heereschef auf Hawaii, General Walter Short wegen „schwerer Pflichtversäumnisse“ vor ein Kriegsgericht gestellt. Sie werden, so sehr es der lächelnde Präsident natürlich bedauert, aus dem Militär entlassen.

Zuständig für die Planung des Angriffes war übrigens der Herr Admiral Yamamoto Isoroku. Er hat an der Harvard Universität studiert, Englisch und Erdölwirtschaft, und er war so erfolgreich, dass ihn amerikanische Ölfirmen einstellen wollten. Yamamoto hat selbst nichts gegen Amerika und ist persönlich davon überzeugt, dass ein Krieg gegen die USA nicht zu gewinnen sei. Was glauben Sie, wo der Unterschied zwischen seinem Gehorsam als Militär und dem der deutschen oder amerikanischen oder irgendwelcher anderer Militärs in der Welt zu finden sein wird? Ich höre Ihren Widerstand. Wenn etwas überhaupt nicht geht, darf man es nicht mitmachen. Und dann kommt der große Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Wie oft im echten Leben macht ein Menschenkind alles mit, weil er oder sie selbst davon lebt? Schauen Sie sich in ihrem Leben um, bei den Freunden und Bekannten. Einen Krieg gegen die USA zu führen, das hatte Yamamoto, immerhin Oberkommandierender der Vereinigten Flotte der Kaiserlichen Marine, als Verhängnis bezeichnet. Das hat nicht geholfen. Die politische Führung Japans und die Armee hatten den Angriff beschlossen. Nun vertraute der Admiral dem Überraschungseffekt. Ein kurzer, gewaltiger Schlag sollte den USA zeigen, dass sie sich besser nicht mit Japan anlegen sollten. Er wollte keinen Krieg beginnen, nein, nur die Flotte der USA sollte so weit wie möglich zerstört werden. Nach einem ersten Sieg musste Amerika so geschockt sein, dass man wohl um Frieden betteln würde. Doch Yamamoto liefert Roosevelt den Vorwand, um das zu tun, was seine Auftraggeber von ihm erwarten. Japans Traum von einer neuen Weltordnung ist unter dieser Voraussetzung nicht mehr zu einem Erfolg zu führen: „Asien den Japanern, Nord- und Südamerika den USA, und Europa den Deutschen.“ Das wird sich mit Gewissheit als Hirngespinst herausstellen. Logischerweise ist auch dies wieder so eine Rechnung ohne den Wirt, wenn sich die lieben USA gerade anschicken, dem British Empire die Weltherrschaft abzuluchsen.

Die staatstragenden Köpfe in Berlin fallen aus allen Wolken. Diesmal ist es Tokio, das mit seinem Harakiri die Partner schockt. Was wäre jedoch anders gekommen, hätten die Japaner Singapore angegriffen? Und das war der heilige Wille Hitlers und Ribbentrops gewesen. Es ist die gleiche unangenehme Überraschung wie bei Mussolinis verrücktem und erfolglosem Einmarsch in Griechenland oder wie bei Hitlers Tricks, bei denen Mussolini immer erst in der letzten Minute vor einer Unternehmung ins Bild gesetzt wird. Die Kritikaster im Auswärtigen Amt sagen dazu: „Das scheint bei Diktatoren und Kaisern so Sitte zu sein.“181 Nun ja. Trotzdem erklären sowohl Berlin als auch Rom am 11. Dezember ’41 den kleinsten Vereinigten Staaten auf der Welt den Krieg, obwohl sich beide im Dreimächtepakt nur dann zur Hilfeleistung an Japan verpflichtet hatten, so es angegriffen würde. Auf den Straßen Deutschlands flüstert manch ein Passant dem anderen zu: „Gott erhalte unsern Führer – aber bald!“ Eine Bitte kann man einer Person direkt zuordnen – Henning von Tresckow gibt den Seufzer von sich: „Ich wünschte, ich könnte einen Film drehen: Deutschland nach dem Kriege. Den würde ich allen Deutschen zeigen. Vielleicht würden sie dann mit Grausen erkennen, was uns bevorsteht.“ Da ein flüchtiger Blick auf den Globus genügt, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, ist er garantiert nicht der Einzige, der das so sieht.182

Die Großmächte Ungarn, Bulgarien und die Slowakei erklären den USA sowie obendrein auch noch Großbritannien am 12. Dezember den Krieg. Ob sie sich dabei womöglich verheben? Hitler und Ribbentrop kommen aus dem Staunen nicht heraus. Da ihre Schwadrone vor Moskau stehen, ist es nötig, die Verlegung frischer sowjetischer Divisionen vom Fernen Osten nach Moskau zu verhindern. Zu diesem Zweck erwarteten sie von Japan eine entlastende militärische Aktivität. Es geschah jedoch nichts. Im Gegenteil, Japan setzte seine Flotte in die entgegengesetzte Richtung in Marsch und führte am 7. Dezember den Überraschungsangriff gegen die USA durch. Japan nimmt also nicht den Druck britischer Flugzeuge und Schiffe vom Reich, es holt obendrein die gefürchteten U.S.A. auf das Schlachtfeld. Für Stalin ist jener japanische Angriff auf Pearl Harbor ein Geschenk. Als er zuvor aus dem Fernen Osten Truppen abgezogen hatte, um sie vor Moskau einzusetzen, wusste er nicht so sicher, ob Japan dies nicht ausnutzen würde. Da musste man sich auf den deutschen Agenten Richard Sorge verlassen, der nach Moskau gemeldet hat, dass Japan die Sowjetunion nicht angreifen würde. Von Stund an jedoch kann Genosse Jossif Wissarjonowitsch Stalin nach Herzenslust die Truppen aus Asien abziehen und braucht nichts mehr zu befürchten.183

Wenn man in Hitlers Staatsersatz schon keinen Einfluss darauf hat, wer vom großen Meister angegriffen wird, so kann man noch weniger gegen die Führungen anderer Länder unternehmen. In aller Hilflosigkeit bleibt auch hier wieder nur der Spott: Ein Senator will sich über dieses Ungarn informieren und fragt einen in der Kongressbibliothek beschäftigten ungarischen Auswanderer. „Was ist denn Ungarn eigentlich für ein Staat?“ Er bekommt die Erklärung: „Ein europäisches Königreich mit achteinhalb Millionen Einwohnern.“ Der Senator zieht daraus den Schluss: „Da hat Ungarn also einen König?“ Der Ungar korrigiert: „Dös gerade nicht, aber einen Reichsverweser, den Admiral Horty!“ Da fragt Herr Senator: „Einen Admiral? Da haben Sie also eine große Flotte?“ Wieder korrigiert dieser Befragte: „Dös gerade nicht. Unsere Flotte haben uns die Italiener 1918 weggenommen.“ Fragt der Senator: „So führen Sie also mit Italien Krieg?“ Meint der Ungar: „Dös gerade nicht, mit Italien sind wir verbündet. Wir führen Krieg mit den Russen.“ Fragt der Senator: „Da haben Sie wohl territoriale Ansprüche gegen die Russen.“ Wiederum korrigiert der Ungar: „Dös gerade nicht. Aber gegen die Rumänen und Slowaken!“ Der Senator schlussfolgert daraus: „Da sind also die Rumänen und Slowaken Ihre Feinde?“ Der Ungar erläutert ihm: „Dös auch nicht, es sind unsere Bundesgenossen.“ Der Senator ist endgültig verwirrt: „Ja, zum Donnerwetter, wer soll sich denn in dem Durcheinander zurechtfinden?“ An der Stelle zuckt der Ungar mit den Schultern: „Ja, Herr Senator, das ist die neue europäische Ordnung!“184

Passend zum Weihnachtsfest erreicht die Deutschen auch noch ein Gruß aus Washington in den Vereinigten Staaten. Dort hält Winston Churchill nämlich am 23. Dezember 1941 eine tolle Rede, in der er erläutert, dass „sich die Alliierten eher auf einen externen Knock-out Deutschlands als auf einen internen Zusammenbruch verlassen sollten“. Das ist exakt das, worauf London seit 1938 hinarbeitet. Die Beseitigung des Regimes oder die Verhinderung des Krieges war von Anfang an nicht erwünscht. Alles läuft auf den nächsten Totalzusammenbruch Deutschlands hinaus. Liest man Reynold’s News, findet man unter Umständen die unerwünschten Worte des Journalisten H. N. Brailsford: „Wir können den Krieg um ein Jahr verkürzen, wenn wir das deutsche Volk davon überzeugen, dass wir Deutschland nicht der Zerstückelung, dem Hunger und der Arbeitslosigkeit aussetzen wollen.“ Man kann es sich an fünf Fingern einer Hand abzählen: Deutsche Generäle stimmen Brailsford in dieser Beurteilung still und leise zu. Aber Churchill erfindet hier das Rad in keiner Weise neu – er bleibt auf der Linie von Lloyd George im ersten Weltkrieg.185